Mittwoch, 20. Dezember 2017



Zwänge und Zünfte


Der schlechte Brauch, im freiesten aller freien Staaten alles und jedes zu regeln, Ver- und Gebote auszusprechen, macht auch vor der Anwaltschaft nicht halt. Neueste Wahnidee, seit 2013 in Gesetzesform gegossen, ist die Einschränkung der Kommunikationsfreiheit für die Advokaten: will heißen: ab 2018 muss jeder Anwalt ein sogenanntes elektronisches Postfach unterhalten und selbstverständlich dafür Umlagen bezahlen. Spätestens ab 2022 dürfen Anwälte auf keinem anderen Weg mehr mit Gerichten kommunizieren, als hierüber. Das dient natürlich nicht dazu, die Anwälte auszuspionieren...

Und was macht die organisierte Anwaltschaft in Gestalt etwa der Kammern, bei denen jeder Anwalt Zwangsmitglied ist? Sie belobigt das Ganze, denn es steht ja so im Gesetz, und Gesetz ist schließlich Gesetz, und Befehl ist Befehl....  

Eine wunderbare Freundschaft

Dies bedurfte einer Antwort 


Bundesrechtsanwaltskammer
Herrn Präsidenten Ekkehart Schäfer
Littenstraße 19
10179 Berlin

vorab per Telefax 030/284939-11

                                                                      Düsseldorf, den 20.12.2017


Ihre Freundschaft mit dem beA



Sehr geehrter Kollege Präsident,

mit großem Genusse lese ich Ihre Kolumne zum beA in den BRAK-Mitteilungen Nr. 6/2017 unter der Überschrift „Der Anfang einer wunderbaren Freundschaft“.

Freundschaft zu einem technischen Gegenstand, herzlichen Glückwunsch - auf diese Metapher wäre ich nicht gekommen, ich ziehe meinen virtuellen Hut! Das erweckt meine Neugier, wer denn sonst noch zu Ihrem Freundeskreis gehören mag: Darf ich, Smartphone und PC als selbstverständlich voraussetzend, davon ausgehen, dass sich darunter auch der Chip befindet, der in die Haut eingepflanzt wird, um die Fahrkarte zu bezahlen oder Versicherungsdaten zu speichern? Gehört auch die Elektrode im Gehirn dazu, die es den Herrschenden künftig noch leichter machen wird, uns auszuspionieren, als es das beA vermag, und es uns im Gegenzug erleichtern wird, die Gedanken der Herrschenden zu übernehmen oder das Denken ganz aufzugeben? Bei der Bundeswehr hieß es, „gehorchen Sie und überlassen Sie das Denken den Pferden, die haben einen größeren Kopf“. Dabei muss ich gestehen, dass es ich es mir eher vorstellen kann, zu einem Pferd ein einer Freundschaft angenähertes Gefühl zu entwickeln, als zu einem Datenträger, aber gut: suum cuique.

Mehr als Ihre privaten Vorlieben interessieren mich aber folgende Probleme, über die ich in all der technologischen Emphrase, die mir seit Jahren aus unseren Zunftblättern entgegenschallt, nichts gelesen habe:


-       Verhilft mir das beA als Verteidiger zu einem Freispruch?
-       Erhalte ich meine Pflichtverteidigervergütung schneller, wenn ich sie auf elektronischem Wege beantrage?
-       Wirkt eine Abmahnung überzeugender, wenn sie mittels beA zugestellt wird?
-       Lassen sich verfeindete Brüder, die sich ums väterliche Erbe bis aufs Blut zerstritten haben, weil der eine dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln nicht gönnt, eher zu einem sinnvollen Vergleich bewegen, weil man ihn auf elektronischem Wege vorschlägt?
-       Wird ein Rabenvater, der sich seiner Unterhaltspflichten entzieht, durch die elektronischen Daten zum Mitleid für sein Kind bewegt?
-       Verbessert sich der verlaufsformgeschwängerte Nominalstil mancher Kollegen (und Gerichte), wenn die Schriftsätze als Datenmasse daherkommen?


Dieses und noch viel mehr bewegt mich derzeit. Können Sie mir darauf vielleicht die eine oder andere Antwort geben? Oder soll ich besser mein Pferd fragen?


Mit den allerherzlichsten Grüßen





Ihr Dr. Björn Clemens, RA



Post Scriptum: Um der Wahrheit die Ehre zu geben: ich habe gar kein Pferd.


Mittwoch, 6. Dezember 2017

ALLES   AUF   ANFANG

Strafverfahren Aktionsbüro Mittelrhein wird neu aufgerollt - noch einmal fünf Jahre???


Mit Beschluss 2 Ws 406/17 vom 04.12.2017 hat das Oberlandesgericht Koblenz entschieden, dass der Mammutprozess um das sogenannte AB-Mittelrhein fortgesetzt werden muss.  Dieser rechtstechnische Ausdruck bedeutet nichts anderes, als dass das gesamte Verfahren, das bisher schon mehr als fünf Jahre gedauert hat, von vorne beginnen muss. Denn, wenn eine Hauptverhandlung ausgesetzt ist, das heißt, wenn sie mehr als einen Monat nicht stattfindet, kann sie nicht an der Stelle fortgesetzt werden, an der sie endete, sondern muss neu beginnen - einschließlich der Verlesung der Anklageschrift usw. Den jetzt noch siebzehn von ursprünglich sechsundzwanzig  Angeklagten werden zahlreiche Straftaten vorgeworfen, deren Verfolgung politisch motiviert sein dürfte, weil die Angeklagten für die falsche, nämlich die nationale, Sache eingetreten sind. Unter anderem deshalb wurde in der ersten Hauptverhandlung der Remagener Trauermarsch zum Gedenken an die Rheinwiesenlager erörtert. Ein Empörungsschreiben der Antifa befindet sich denn auch ganz zu Beginn in der Ermittlungsakte....   

Nach den Maßstäben der bisherigen Hauptverhandlung würden somit 337 Hauptverhandlungstage noch einmal stattfinden müssen. Zwar gibt es an vielen Stellen Einsparpotential, etwa wenn das Gericht kleiner Delikte einstellen sollte. Aber dem stehen diverse Möglichkeiten gegenüber, dass sich das Verfahren verlängern könnte, wenn zum Beispiel die bisherigen Zeugen auf ihre Aussagen in der ersten Verhandlung befragt werden, oder wenn die bisherigen Richter als Zeugen geladen werden. Ob demnach weitere Jahre oder nur Monate im Raum stehen, ist völlig offen. 

Die Entscheidung des OLG ist sehr formal gehalten und sicherlich vertretbar. Sie schiebt allerdings die Schuld für die bisherige Verfahrensdauer einseitig den Verteidigern zu. Das hätte man anders beurteilen können und müssen, und dann wäre  auch Raum gewesen, um eine staatspolitisch klügere Entscheidung zu treffen. 

Jedenfalls kann an dieser Stelle der Kampf gegen rechts fortgesetzt werden, der in diesem Staat anscheinend wichtiger ist als der Kampf gegen die wirklichen Bedrohungen unseres Gemeinwesens, die aber keine sein dürfen, weil sie den herrschenden multikulturellen Konsens als Fata Morgana entlarven; von den weiteren Millionen an Prozesskosten, die der Steuerzahler aufzubringen haben wird, ganz zu schweigen.